„Lasst uns über den Tod reden.“

17. Februar 2022

Mit den Worten „Lasst uns über den Tod reden.“ begann der Text eines Beitrages, gesehen in der größten deutschsprachigen Facebookgruppe:

Amyotrophe Lateralsklerose

[eine geschlossene – nicht öffentliche – Gruppe, der man ruhig beitreten sollte],

Ein Beitrag, der so sehr und direkt, den Fokus auf ein unvermeidliches Thema lenkt:

Dem Tod.

Dieser – dazu noch, nur schon aufgrund der Diagnose, in einem überschaubaren Zeitfenster nahend.

Wobei das „überschaubar“ weder eingrenzbar noch prognostizierbar ist. Es ist einfach JEDER Verlauf zu individuell.


Lasst uns über den Tod reden.

Für viele ist das Thema tabu, man redet nicht drüber.

Wir, als ALS-Patienten haben einen direkten Kontakt zum Lebensende, es ist ja „bald“ schon soweit.

Hier sind meine Gedanken, bitte zerlegt mich nicht dafür.

Jeder denkt wohl etwas anders darüber, ich bin auf eure Meinung gespannt.

Zunächst mal der Zeitpunkt, an dem man von seiner ALS-Krankheit erfuhr. Mit einem nahen Tod rechnet man ja nicht.

– Ich hatte so einige Pläne, in meiner Rente einiges zu unternehmen. Und jetzt zahle ich nur in die Rentenkasse ein und kann nichts raus nehmen, weil ich erst gar kein Rentner werde.

– Dann will man auch kein Pflegefall werden und seiner Familie auf der Last liegen. Hier waren meine Gedanken, dass es schöner wäre, diese Zeit besser zu verkürzen.

– Man vergleicht sein Leben mit denen seiner Freunde, Bekannte und erkennt, dass die Kollegen körperlich fitter sind. Das stimmt, aber der Vergleich hinkt. Man vergleicht eine kranke mit einer gesunden Person.

– Warum hat es mich erwischt? Man sucht Ursachen. Will die Krankheit nicht an sich ran lassen. Erst mit der Zeit akzeptiert man die Situation und kann dann das Leben wieder besser führen. Man denkt nicht den ganzen Tag an die Scheiß-Krankheit. Besonders schwer ist es für die Neuen hier im Club.


An dieser Stelle auch von uns die Einladung zur Diskussion, zum Meinungsaustausch, für Erfahrungsberichte usw.

Am Ende des Beitrags steht die Kommentarfunktion offen!


– Was muss ich in meiner verbleibenden Zeit noch alles organisieren? Z.B. wie geht es mit der Erziehung, Ausbildung der Kinder weiter? Ich kann ihnen als Toter keine Hilfe bei Problemen mehr geben.

– Wer kommt auf meine Beerdigung, welches Lied wird gespielt (ich suche mir ein Lied, was mein Leben ein wenig beschreibt)?

– Es lohnt sich nicht mehr, große Dinge anzufangen. Entweder fehlt die Zeit oder die Kraft.

– Man ist ein wenig neidisch, wenn man in Facebook oder auch live die Fitness der bisherigen und noch bestehenden Freunde und Bekannte sieht. Und man bei sich selber eine Mattigkeit; Müdigkeit, Schwäche erkennt.

– Wie und wann erkläre ich meinen Kindern, Freunden, Angehörigen, Kunden, Mitarbeitern die Krankheit? Besser jetzt als wenn man von denen drauf angesprochen wird. Setzt aber voraus, dass man die Krankheit selber erst mal für sich „akzeptiert“. Und ein günstiger Zeitpunkt für schlechte Nachrichten den gibt es nicht => dann ist jeder Zeitpunkt der richtige Zeitpunkt. Man fühlt sich im Anschluß seelisch erleichtert.

– Das Thema Suizid? Man denkt nur drüber! Das schlechte Gewissen sagt NEIN. Wenn ja, wie? Man will auch da nicht noch eine Belastung für seine Umwelt sein.

Das zu meinen Gedanken; jetzt seid ihr dran (wenn ihr wollt, euch traut, ihr es für sinnvoll handelt).

Gruß vom Martin


Danke, das du diese Worte gefunden hast.

Danke, das sie auch veröffentlicht hast.

Danke, das wir es weiter veröffentlichen dürfen.

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