Martin Jähn

19. November 2018
Martin Jähn

 

Mit großem Bedauern haben wir erfahren müssen, dass Martin seinen Kampf gegen die ALS verloren hat.
Unser aufrichtiges Mitgefühl den Hinterbliebenen und seinem Pflegeteam.

Wir lassen im Gedenken an Martin diesen Beitrag nach Rücksprache mit seinen Angehörigen hier stehen. :(

 

Ich bin 1957 geboren, in einem evangelischen Pfarrhaus in der Pfalz aufgewachsen und habe in Darmstadt und Berlin studiert (Diplom-Wirtschaftsingenieurwesen). Nach dem Mauerfall kehrte ich von New York nach Berlin zurück und arbeitete seitdem als selbstständiger Unternehmensberater mit Schwerpunkt auf Informationstechnologien und global verteilte digitale Wertschöpfung.

Im Mai 2012 wurde bei mir ALS diagnostiziert. Vorangegangen war eine fast zweijährige Odyssee von Untersuchungen und teilweise dubiosen Diagnosen. Ende Juli 2012 wurde ich nach einem völlig unerwartetem Zusammenbruch per Notarzt in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert, das ich nach zwei Monaten auf der Intensivstation mit  einem  Tracheostoma, 24stündiger Beatmung, einer PEG und noch bettlägrig verließ. Seitdem habe ich zu Hause eine eins-zu-eins-Pflege. Die Entscheidung ob PEG,  Tracheostoma und Beatmung war mir durch die dramatische Entwicklung de facto abgenommen.

 

Über Nacht war mein bisheriges Leben beendet. Mein neues Leben mit ALS hatte begonnen.

 

Dank meiner geliebten Frau und Töchter habe ich den plötzlichen Beginn der harten Realität  verarbeiten können. Bei der Diagnose wurde mir gesagt, es handele sich um eine langsame Verlaufsform…. Wir waren in keinster Weise auf diese Situation vorbereitet, ich konnte nichts beitragen – rückblickend die schwierigste Zeit, heute geht es mir vergleichsweise sehr gut.

Inzwischen nutze ich einen Computer mit Augensteuerung und Sprachausgabe. Die Steuerung erfolgt über eine Bildschirmtastatur. Da jeder  Buchstabe und jede Funktion einzeln durch ein kurzes Fixieren mit den Augen eingegeben wird, entspricht die Geschwindigkeit dem Tippen mit einem Finger, also sehr langsam, aber es funktioniert.  Auch Internet, Email und PC-Programme  kann ich damit nutzen, eine neue Freiheit bei ansonsten zunehmenden Einschränkungen.

Bis Juni 2013 verbesserte sich meine körperliche Verfassung stetig, ich fing an wieder Treppensteigen zu trainieren, konnte nur mit Stock mich etwas in der Wohnung bewegen und konnte mehrere Stunden ohne Beatmung sein. Diese Entwicklung stärkte die Hoffnung, dass die Diagnose ALS vielleicht doch nicht zuträfe und es sich um eine Borreliose handeln könnte.

Leider scheint dem nicht so. Heute kann ich nicht mehr stehen, Aufstehen ist nur mit Lifter und Hilfe möglich, Ernährung erfolgt über Magensonde, Pausen ohne Beatmung sind nur noch wenige Minuten möglich, Sprechen nur noch wenige Minuten und großer Mühe mit Sprechventil (entblockt und beatmet), alles typisch für ALS.

Ich möchte meine Situation realistisch beschreiben, dabei nichts beschönigen, aber auch nicht klagen. Da ich die Realität nicht ändern kann, besteht nur die Möglichkeit sie zu akzeptieren und anzunehmen, dann an der Einstellung zu der Situation zu arbeiten und dabei den Humor nicht  zu verlieren.  Ein schönes Beispiel lieferte Stephen Hawking, der wohl bekannteste ALS-Patient,  als Gast bei der Talkshow von Beckmann auf die Frage “wenn sie einen Tag in einem gesunden Körper verbringen könnten, was würden sie tun?” mit einem Lächeln sinngemäß antwortete “diese Frage kann ich hier nicht beantworten, da die Antwort nicht jugendfrei wäre”.

Ich bin sehr froh über den ALS-mobil e. V. mit anderen ALS- Betroffenen in persönlichen Kontakt zu kommen und die Möglichkeit zum Gedankenaustausch zu haben. Die gegenseitigen  Tipps zu vielen Fragen rund um das Leben mit ALS haben mich sehr motiviert und ich kann allen  ALS-Betroffenen und deren  Angehörigen nur wärmstens empfehlen, die Angebote „unseres“ Vereins zu nutzen.

Ich bin erreichbar über Facebook https://www.facebook.com/martin.jaehn , per Email (martin@jaehn.com) oder über meinen Blog  https://martinjaehn.wordpress.com/